1972 präsentierte Alfa Romeo eine ganz besonders ausgeklügelte und moderne Limousine: einmal in technischer Sicht – durch die Einführung des Transaxle-Layouts und der De Dion-Hinterachse –, und aus gestalterischer Sicht durch eine essentielle Linienführung (entworfen vom Style-Zentrum des Unternehmens), die sich verjüngt und in einem „wichtigen“ Heck endet. Der Autobauer mit der Schlange im Wappen glaubte so sehr an dieses neue Modell, dass er bei der Namensgebung der Alfetta auf den F1-Weltmeister von 1950 und 1951 anspielte: Der 159 von Fangio (1951) hatte eine De-Dion-Hinterachse, daher die Nummer auch der neuen Sportlimousine.
Ende der 1960er Jahre plante Alfa Romeo, wie man an den Erfolg der Giulia und insbesondere ihres Derivats, dem 1750, anknüpfen konnte: Gefragt war eine sportliche Mittelklasselimousine, die das bisher Erreichte noch übertreffen könne, was sicherlich nicht einfach werden würde. Man untersuchte neue technische Lösungen, die sowohl den Leistungsanforderungen – bei Alfa Romeo unbestreitbar – als auch dem Bedürfnis nach Komfort und Behaglichkeit gerecht werden sollten: Eigenschaften, die der Kunde damals wie heute erwartet.
Die mechanische Architektur der Alfetta revolutioniert die technischen Lösungen der Giulia – mit Ausnahme des allseits geschätzten Vierzylinder-Doppelwellenmotors des 1750, nun verbessert und mit mehr Leistung: Das Getriebe wird zusammen mit der Kupplung in Transaxle-Bauweise am Heck angebracht, zu dem die Einführung einer De Dion-Hinterachse mit Watt-Parallelogramm hinzukommt. Die hinteren Bremsscheiben befinden sich „on board“, um das ungefederte Gewicht zu reduzieren. Auf diese Weise profitiert die Dynamik der Alfetta von einer perfekt ausbalancierten Gewichtsverteilung von 50 % auf jede Achse. Vorne finden wir eine Einzelradaufhängung mit Drehstabfederelementen, sowie eine Zahnstangenlenkung mit verstellbarem Lenkrad.
Anfang der siebziger Jahre veränderte sich das Styling der Wagen: Statt geschwungener Kurven und Rillen wie bei der Giulia, gab es nun schärfere Linien und scharfe Kanten. Auch die Kabine fügt sich in die übrige Karosserie ein und weist selbst bei den Limousinen ausgeprägtere aufrechte Winkel auf, was einerseits zu einem schärferen Look und andererseits zu einer effizienteren Aerodynamik führt.
Die Alfetta folgte, oder besser gesagt, leitete diesen stilistischen Trend der essentiellen, kompakten, aggressiven Linien ein: die Nase war sehr spitz, mit einem sehr niedrigen Überhang – von vorne gesehen schien es, als würden die Räder aus der Karosserie herausragen –, die Gürtellinie setzte sich sauber fort, das Heck wurde voluminöser, verbunden mit dem Fahrgastraum durch eine „C“-Säule, die das Gesamtbild belebte und Kraft und Robustheit verlieh. Ein derartig konzipiertes Design bot Platz für fünf Personen und einen ebenso geräumigen Kofferraum.
Der Grund für diese Wahl, die zu einer stilistischen Neuerung wurde, die später von vielen anderen übernommen werden sollte, lag nicht so sehr bzw. nicht nur an der Kreativität der Designer, sondern an dem unerschütterlichen Glauben daran in der Person von Rudolf Hruska. Dieser österreichischen Ingenieur wurde vom Vorsitzenden Giuseppe Luraghi extra für das Alfasud-Projekt zu Alfa Romeo zurückgerufen. Giuseppe Chirico selbst, der von Hruska mit der Leitung des Alfasud-Projekts beauftragt wurde, berichtete ausführlich darüber. Hruska war der Meinung, dass in den Kofferraum des Autos vier mittelgroße, genauer gesagt 720x430x230 cm messende, Koffer passen sollten. Demnach ist der große Kofferraum des Alfasud auf diese ausgelegt.
Gegen Ende des Jahres 1969 wurden die ersten Prototypen der Alfetta und des Alfasud der Geschäftsleitung von Alfa Romeo vorgestellt. Am Ende des Treffens wies Hruska darauf hin, dass der Kofferraum der Alfetta nicht weniger geräumig sein könne als der des Alfasud. Dabei stellt sich heraus, dass die berühmten vier mittelgroßen Koffer nicht allesamt im Kofferraum des Alfetta-Prototyps untergebracht werden können. Die Höhe war nicht ausreichend, da sich unter der Ladefläche das Reserverad und der Kraftstofftank befinden. In der nächsten Sitzung wurde dann der neue Alfetta-Prototyp mit einem viel höheren Kofferraum präsentiert, in den die berüchtigten vier Hruska-Koffer passten.
Die positiven Auswirkungen dieses Designs beschränkten sich nicht nur auf das Fassungsvermögen: Die Form des hochgezogenen Kofferraums und seine neue Verbindung mit der Heckscheibe, die eine stärkere Neigung aufweisen muss, verbesserten die Aerodynamik erheblich.
Die von 1972 bis 1984 produzierte Alfetta wurde zunächst mit „Milleotto“-, dann mit 1,6- und schließlich mit Zweiliter-Motoren ausgestattet. Die Sportlimousine aus Arese war das erste italienische Auto, das auch mit einem überdimensionierten Dieselmotor ausgestattet war (Alfetta 2.0 Turbo D, 1979). Mit der Einführung der Version „Quadrifoglio Oro" im Jahr 1983 wurde die modernste mechanische Raffinesse erreicht: Der „Duemila"-Doppelnockenmotor war mit einem Phasenvariator (Alfa Romeo Patent) ausgestattet, integriert mit einer elektronischen Einspritzung – eine Weltneuheit.
Der neue Alfa Romeo Alfetta nahm den glorreichen Kosenamen der siegreichen Alfa Romeo 158und 159 Grand Prix-Wagen an, die 1950 und 1951 die ersten beiden Formel 1-Weltmeisterschaften gewonnen hatten.
Die offizielle, ursprünglich für den Turiner Autosalon 1971 geplante Präsentation wurde jedoch verschoben, um dem Alfasud nicht die Schau zu stehlen, dem Alfa Romeo einen großen Platz an seinem Stand widmen wollte. Die Markteinführung fand so im Mai 1972 in der Nähe von Triest statt, im eleganten kleinen Hafen von Grignano. Die Fachpresse hob sowohl die technischen als auch die stilistischen Neuerungen positiv hervor.
Einige Monate später, auf dem Turiner Autosalon 1972, präsentierte Pininfarina das Alfetta Spider-Coupé. Bei dieser Gelegenheit überwand der Konstrukteur die Probleme der passiven Sicherheit offener Autos, indem er eine „Targa"-Karosserie mit einer stark keilförmigen Linie entwarf, die durch auffällige schwarze Gummistoßstangen gekennzeichnet war – ganz in der Linie der experimentellen, ganz auf Sicherheit ausgerichteten E.S.V.-Prototypen. Das abnehmbare Dach bestand aus einem Material mit variabler Transparenz: schwarz, wenn es als Dach installiert wird, und transparent, wenn es auf die Heckscheibe gelegt wird, wo sich die Befestigungen befinden. Zwei Jahre später erfolgte die Weiterentwicklung des Entwurfs zum Eagle-Konzept.
1975 entstand eine Einstiegsversion der Alfetta, die mit einem 1,6-Liter-Motor ausgestattet war und sich durch einen Kühlergrill mit Einzelscheinwerfern auszeichnete, während der 1,8er von einer Neugestaltung der Frontpartie und der Innenausstattung profitierte. 1977 schaffte die Mailänder Limousine den Sprung in die Zweiliter-Klasse, dank der Alfetta 2.0: Die Frontpartie veränderte sich mit eckigen Scheinwerfern, die Stoßstangen erhielten Gummieinsätze, und die Ausführung machte einen Quantensprung. Die Alfetta baute ihre Führungsposition in ihrem Segment aus, und der 2.0 wurde zum Referenzfahrzeug für die Branche.
Bei den letzten Giulia-Fahrzeugen, die noch bis 1977 produziert wurden, fügte Alfa den Perkins-Dieselmotor hinzu, der schon seit langem im Transporter F12 verwendet wurde. Doch nur mit der Alfetta wurde im Herbst 1979 die erste italienische Limousine mit einem Turbodieselmotor geboren. Der 2,0-Liter-Vierzylinder-Dieselmotor mit Turbolader wurde von VM Motori aus Cento in der Provinz Ferrara hergestellt und leistete 82 PS, was der Alfetta eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h bescherte – ein Rekord für ein Dieselfahrzeug zu jener Zeit.
Der Höhepunkt der Entwicklung der Alfetta ist die neue Baureihe von 1983, die sich durch große Seitenteile auszeichnet, welche sich mit den noch stärker ausgeprägten Stoßfängern verbinden. Eine einzige Struktur am Heck umschließt die Leuchten und den Nummernschildhalter. Die Innenpolsterung, die Sitze und das gesamte Armaturenbrett wurden ebenfalls neu gestaltet, mit einer innovativen Instrumentierung, die ein modernes Kontrollfeld aufweist. An der Spitze der Palette stand der Alfetta „2.0 Quadrifoglio Oro injection“ mit elektronischer Einspritzung und Phasenvariator, der auch an den sportlichen runden Doppelscheinwerfern zu erkennen ist, die die Nase aggressiv wirken lassen.
Die Entwicklung der Elektronik im Auto sowie die Notwendigkeit, mit innovativen Lösungen zu experimentieren, veranlassten Alfa Romeo zur Einführung des Programms zur elektronischen Motorsteuerung (CEM). Es handelte sich um ein Projekt des Nationalen Forschungsrats, das von dem Mailänder Unternehmen in Zusammenarbeit mit der Universität Genua entwickelt wurde. Mit dem Ziel, den Verbrauch zu senken und die Effizienz des Motors zu erhöhen, wurde eine modulare Betriebslogik getestet, die zwei Zylinder (den 2. und 4.) bei Teillast deaktiviert. Die Experimente im Jahr 1981 wurden zunächst einigen Taxifahrern in Mailand anvertraut, 1983 dann rund tausend ausgewählten Kunden, denen eine Weiterentwicklung verkauft wurde: die Alfetta 2.0 CEM, die jedoch nicht die Zylinder deaktivierte, sondern über das zwei Jahre zuvor getestete ausgeklügelte elektronische Management verfügte.
Parallel zur Alfetta-Limousine wurde ab 1974 die innovative, von Giugiaro entworfene Alfetta GT mit derselben Transaxle-Technik in einer Coupé-Karosserie produziert, die im Innenraum ein großzügiges Platzangebot bot: Sie wurde alsbald zur Speerspitze der Sportlichkeit von Alfa Romeo. Die Entwicklungen folgten zum Teil denen der Limousine, mit der Bezeichnung GTV ab der Einführung des Zweiliter-Motors und der Einführung leistungsstärkerer Motoren, ebenfalls mit dem technischen Beitrag von Autodelta: vom GTV 2.0 Turbodelta (dem ersten italienischen Serienfahrzeug mit Turbomotor) bis zum GTV 6 mit dem 2,5-Liter-V6 des Alfa 6- Flaggschiffs.
Nach mehr als 475.000 produzierten Einheiten übergab die Alfetta 1984 den Staffelstab an den von Bertone entworfenen Alfa 90. Ein Exemplar der ersten Serie ist im Historischen Museum von Alfa Romeo in Arese ausgestellt, und Pininfarinas originales und sicheres Alfetta Spider-Coupé gehört zu den einzigartigen Prototypen, die diese Kollektion bereichern und bei besonderen Retrospektiven gezeigt werden.
Seit Anfang der 1970er Jahre hat Alfa Romeo stets mit der Tradition gespielt: mit dem ersten Frontantrieb der Firma Biscione, der mit dem Alfasud eingeführt wurde, und mit dem innovativen Transaxle-Layout der Alfetta – beides Wagen, die jeweils eine neue Ära von Alfa Romeo markierten.
Credits @remidargegenphotographies