Cesare Fiorio, der Leiter der Sport-Abteilung von Lancia, wollte einen Rennwagen bauen, der den glorreichen Fulvia HF ablösen sollte, der mittlerweile am Ende seiner Karriere angelangt war. Der Karosseriebauer Nuccio Bertone lieferte ihm 1970 die Idee dafür, als er in Turin einen futuristischen Prototyp präsentierte: den des Lancia Stratos Zero. Die Entwicklung dieses Autos im Rallye-Stil, verstärkt durch die Kraft eines Ferrari-Motors, führte zur Entstehung des legendären Lancia Stratos HF.
Der Prototyp „Stratos Zero" wurde von Bertone auf dem Turiner Autosalon 1970 vorgestellt. Das Auto, angetrieben vom Fulvia 1.6 HF-Motor, erregte umgehend Aufsehen in der Presse und in der Öffentlichkeit, vor allem wegen seiner revolutionären Linienführung: es war ein sehr niedriges und schnittiges Coupé mit Heckmotor und Antrieb und ohne Türen. Der Zugang zum Cockpit erfolgte durch die große, zu öffnende gläserne Windschutzscheibe. Der Leiter der Sport-Abteilung von Lancia, Cesare Fiorio, der bereits über ein neues Rallye-Auto mit Heckmotor nachgedacht hatte, um die veraltete Fulvia zu ersetzen, schaffte es, den neuen Generaldirektor von Lancia – Pier Ugo Gobbato – davon zu überzeugen, in das Projekt zu investieren. Der neue Prototyp, von Bertone nach dem Entwurf von Marcello Gandini gebaut, stellte für Fiorio eine konkrete Inspirationsquelle dar, um den neuen Lancia zu konzipieren, der künftige bei Rallyes glänzen wird.
Allerdings war ein leistungsstarker Motor erforderlich, um sich gegen die starke Konkurrenz durchzusetzen. Verschiedene Hypothesen über die von den Marken der Fiat-Gruppe produzierten Motoren wurden nach und nach verworfen, vom Boxermotor des Lancia Flavia bis hin zum V6 des Fiat 130. Am Ende fiel die Wahl auf den sechszylindrigen V des Dino 246 Ferrari, dessen Leistung und Zuverlässigkeit bereits zuvor getestet wurde. Fiorio und Gobbato gelang es, nicht ohne Schwierigkeiten, Enzo Ferrari davon zu überzeugen, die große Menge an Motoren zu liefern, die notwendig waren, um das Auto von der FIA homologieren zu lassen. Das FIA-Reglement verlangte mindestens 500 baugleiche Fahrzeuge, um die Gruppe 4-Homologation zu erhalten. Damit war ein echtes Rennbiest geboren (die Franzosen nannten es bête à gagner), mit querliegendem Mittelmotor, McPherson-Aufhängungen hinten und aufgesetztem Viereck am vorderen Ende.
Alles wurde für Rallyes konzipiert, angefangen bei der Motorhaube und dem Kofferraum, die aus zwei leichten Schalen bestanden, die auch die jeweiligen Kotflügel enthielten: dank der schnellen und breiten Öffnung erlaubten sie den sofortigen Zugang zu Mechanik und Fahrwerk bei Eingriffen. Die futuristische Keilform des ersten Prototyps kennzeichnete auch den endgültigen Stratos, der bald zur Ikone der Sportlichkeit von Lancia wurde. Im Cockpit gab es nur zwei Sitze und wenig Platz für den Rest, aber zwei Fächer in den Türinnenräumen erlaubten es, Rennhelme unterzubringen.
Ein Jahr nach der Präsentation des Stratos Zero debütierte auf dem Turiner Autosalon 1971 die mit dem Motor des Dino 246 ausgestattete Version. Das Auto war weniger futuristisch als das ursprüngliche Konzept, aber – in den Worten von Nuccio Bertone – „es passt zu Fahrer und Navigator wie ein Anzug zu einem Athleten, der fast seine Muskeln zeigt.“
Der Lancia Stratos wird zum Star der Rallyes: DAS Auto, das es zu schlagen gilt. Er ermöglichte es Lancia und seinen offiziellen Fahrern, zahlreiche Meisterschaften zu erobern und auch nach der Übergabe des Staffelstabes an den Fiat 131 Abarth in den Händen von privaten Teams weiter Siege einzufahren.
Kaum lieft die Produktion an, so wurde der Stratos schon im Renneinsatz erprobt – noch bevor er die offizielle Homologation erhielt. Die zum Ausdruck gebrachten Möglichkeiten waren sofort bemerkenswert, und die Jugendfehler, vor allem bei den hinteren Aufhängungen, wurden nach den ersten beiden Teilnahmen an internationalen Rennen beseitigt: Ende 1972 ging der Wagen bei der Tour de Corse und bei der Rallye Costa del Sol an den Start. Der erste Sieg kam einige Monate später in Spanien, bei der Firestone Rallye im April 1973: Er wurde von Sandro Munari und Mario Mannucci errungen, die bereits viele wichtige Erfolge mit dem Lancia Fulvia 1,6 HF errungen hatten.
Die legendäre Homologation für die Gruppe 4 fand am 1. Oktober 1974 statt, als die FIA-Delegierten die Anzahl der produzierten Lancia Stratos zählten, die an verschiedenen Stellen parkten. Ab dann konnten die Punkte, die der Lancia Stratos HF in Rennen erzielte, zu denen des glorreichen Fulvia HF und des in einigen Rennen eingesetzten Lancia Beta Coupé addiert werden. Mit dem offiziellen Lancia Stratos HF gewannen Munari und Mannucci die Rallye von Sanremo und die Rideau Lakes-Rallye in Kanada, während Munari, navigiert von Sodano, auch die anstrengende RAC-Rallye in England gewinnt. Mit dem Sieg von Andruet – „Biche" bei der Tour de Corse, stets an Bord eines Stratos HF, sammelte Lancia genug Punkte, um die Rallye-Weltmeisterschaft 1974 zu gewinnen, die erste einer langen Serie.
Im Laufe der Jahre setzte das Lancia Racing Team 26 offizielle Fahrzeuge ein: die ersten waren mit 12-Ventil-Zylinderköpfen ausgestattet, später wurde auf 24 erhöht. Zunächst trugen die Wagen die weiß-rote Lackierung des Sponsors Marlboro, die ab der Saison 1975 durch die weiß-grünen Alitalia-Farben ersetzt wurde. Die Grafik, die den Alitalia-Sponsor feierte, änderte sich und wurde zwei Jahre später zur Ikone, als das Trikolore-Logo der nationalen italienischen Fluggesellschaft verdoppelt und mit der Keilform des Autos in Einklang gebracht wurde. Noch heute gilt die Alitalia-Lackierung des Stratos als eine der schönsten in der Geschichte des Motorsports.
Die Stratos HF der Gruppe 4 fahren einen Sieg nach dem anderen ein und werden zur „Killerwaffe" bei den Rallyes. Der mittlerweile legendäre Lancia, der in Wettbewerben praktisch unschlagbar ist, gewinnt dreimal hintereinander die Rallye Monte Carlo sowie zwei weitere Titel bei der Konstrukteursweltmeisterschaft (1975 und 1976) und ebenso viele in der Fahrer-Europameisterschaft, abgesehen vom Sieg von Sandro Munari im Jahr 1977 beim FIA Rally Drivers World Cup.
Die Staffelübergabe zwischen dem Lancia Stratos und dem Fiat 131 Abarth Rally erfolgte mit einer filmischen Überblendung. Im Jahr 1978 gab es Rennen, die ausgewählt wurden, um in ihnen die Stratos zu fahren, und Rennen, um mit den 131 Abarths an den Start zu gehen, wobei letztere jedoch mit der Aufgabe betraut waren, offiziell um die Weltmeisterschaft zu kämpfen, während die Lancia teilnahmen, um den Europameistertitel zu gewinnen. Die Sportteams beider Marken wurden von der Automobile Sports Associations (ASA) unter der Leitung von Daniele Audetto koordiniert. In den Rennen, die auf beide Meisterschaften angerechnet werden, zeigten die Stratos eine neue schwarz-rot-weiße Lackierung vom Partner Pirelli. Unvergesslich der Sieg des Stratos HF in den Pirelli-Farben von Alèn-Kivimaki bei der Rallye Sanremo 1978 direkt vor dem 131 Abarth Alitalia von Verini-Bernacchini.
Die Stratos gewannen noch das ganze Jahr 1982 über viele Siege, selbst wenn sie sich nur im Besitz der Kunden befanden. Der französische Fahrer Bernard Darniche war sicherlich einer der besten Interpreten des nun inoffiziellen Stratos: Er brachte den Stratos mit den blauen Farben der französischen Lancia-Händler für weitere drei Jahre zum Rennen. Darniche gewann wichtige Siege wie die Rallye Monte Carlo, die Tour de France und die Tour de Corse 1979 sowie die Rallye Costa Smeralda und die Tour de France 1980.
Glorreich war der Abschied von den Stratos bei der Rallye Monza am 28. November 1982 mit dem Hattrick: 1. Ormezzano, 2. Cazzaniga und 3. Verini.
Zwei Lancia Stratos HF-Rennwagen werden im Heritage HUB liebevoll aufbewahrt: Einer trägt die legendäre Alitalia-Lackierung und ist im Themenbereich The Rally Era ausgestellt, der andere in Pirelli-Farben.